Sich mit dem Atem verbinden

Unser Atem ist der stille Begleiter jeder Ich-Tätigkeit. Unterhalb der Bewusstseinsschwelle wirkt der Atem im Vegetativen ordnend, belebend und ausgleichend. In ihm liegen die heilenden Kräfte. Im Hintergrund steht unser Wesen. Dass wir diesen Tiefenatem entwickeln und ihn damit auch bewusst erleben können, hängt von der Ich-Tätigkeit ab: „Ich lasse den Atem kommen – ich lasse ihn zu – ich lasse ihn wieder gehen.“ Das heißt: es ist mir möglich, das Leibliche dem Atem wie ein Gefäß zur Verfügung zu stellen, oder die Bewegung zuzulassen. Ich kann auf meine Befindlichkeit antworten und mich mit dem, was mir begegnet, in ein Verhältnis bringen – das verändert den Atem.

Die Frage nach dem Urrhythmus wird jetzt möglich. „Welcher Rhythmus gehört zu mir? Wo entsteht die erste Bewegung? Was geschieht, wenn der Ausatem gegangen ist? Was sagt mir mein Leben jetzt?“ In der Atemruhe ist reines Da-Sein, der Atem selbst ist dabei nicht mehr wahrnehmbar. Er zieht sich in sich selbst zurück in einen Bereich, wo die Kräfte sich neu ordnen. Wir wissen nicht, was dort geschieht. Nun ist es gut, warten zu können auf den neuen Atemzug …

Was ist für mich wesentlich?

Der physische Leib kann als räumlich erfahren werden, er schließt jeden einzelnen Menschen gegen den Außenraum ab, und damit ist jeder Mensch eine Welt in sich! Diesen unseren Leib durchdringen wir seelisch-geistig, er ist das Instrument zum Dasein. Ich gebe mir Gestalt: ich atme – ich bin – ich bin da!

Die Atmung kann Störungen aufweisen, der Atem hat eine andere Sprache. Im Atem spiegeln sich kosmische Rhythmen. Wir sind eingebunden in eine höhere Entwickelung, die die ganze Menschheit betrifft. Wir hängen mit unserer Seele nicht nur mit dieser Welt und mit dieser Zeit zusammen, sondern wir sind auch Bürger höherer Welten.

Der Atem ist die Brücke zwischen meiner Natur, so, wie ich gemeint bin, der Menschheit und dem ganzen Kosmos. Dies erfahren wir deutlich, wenn der Atem entwickelt wird! Das ist ein Prozess.

Durch einfach gehaltene Übungen wird der Atem angeregt. Daran entwickelt sich ein immer feineres Empfindungsbewusstseins. Der Atem kommt und geht von selbst, wenn wir dies zulassen. Hinter dem Atem steht unser innerstes Wesen! Gewinnt er an Substanz, können wir ihn als innere Gestalt, Bewegung und Kraft wahrnehmen. Ich nehme mich wahr! Substanz ist das Bleibende!

Die Atmung ist der erste Anschwung eines vielschichtigen Geschehens, auf das mein Ich im Atem antwortet. Jede Atemerfahrung kann wie zu einem „Wort“ werden, das mir etwas sagt. Diese Sprache lernen wir immer bewusster, immer deutlicher zu erlauschen und mit der Zeit auch zu verstehen. Das schärft unser Beurteilungsvermögen für die eigene Situation.

Erst wenn ich nach diesem tieferen Atem zu fragen beginne, mache ich Erfahrungen,
die mir auch Antworten geben. Lebens-Geheimnisse offenbaren sich!

„Alle heilenden Kräfte liegen ursprünglich im menschlichen Atmungssystem!“ Rudolf Steiner. Im Atemgeschehen erfahren wir heilende, harmonisierende und ordnende Kräfte immer neu, wenn wir uns mit diesem Atem verbinden!